Kompetenzaktivierung für Zuwanderer

Die Zuwanderung scheint unter den politischen Parteien ein heikles Thema zu sein. Dabei prognostizieren Demografen schon seit fast zwei Jahrzehnten, dass Zuwanderer auf allen Qualifikationsstufen der Erwerbstätigkeit in den nächsten Jahrzehnten unabdingbar sein werden, um die wirtschaftliche Produktivität der Bundesrepublik Deutschland zu erhalten.

Die Arbeitslosenzahl sank im Oktober unter drei Millionen. Die Bevölkerungswissenschaftler gehen in den nächsten Jahrzehnten von einem kontinuierlichem Rückgang des Erwerbspotenzials – unabhängig von konjunkturellen Entwicklungen – von mindestens 200.000 Menschen pro Jahr aus.

Wie kann dieser Rückgang verkraftet werden, wenn die Salden der Zu- und Abwanderung in den letzten Jahren in der Bundesrepublik Deutschland leicht negativ waren? Ein einfache – und meines Erachtens eigentlich unstrittige – Antwort lautet: durch aktive Zuwanderungskonzepte mit größtmöglicher Anerkennung der im Ausland erworbenen beruflichen Qualifikationen.

Nicht genutzes Kompetenzpotenzial 
Zuwanderer aus anderen europäischen Staaten haben es nicht leicht. Das deutsche Bildungssystem setzt die Maßstäbe: In Deutschland erworbene Kammerabschlüsse oder Universitätszertikate setzen die curricularen Rahmenbedingungen für eine Anerkennungspraxis, die – wie die Staatsministerin Maria Böhmer in ihrem aktuellen Bericht über die Lage der Ausländer mit folgenden Problemfeldern bezeichnete:

  • große Unübersichtlichekeit über Verfahren und zuständige Stellen
  • fehlende Rechtsverbindlichkeit 
  • oftmals fehlende bundesweite Verbindlichkeit

Diese Problemschwellen führen häufig zu Allokationen der Zuwanderer in minderqualifizierte Bereiche oder – wie der Spiegel es in einem Beitrag bissig und humorvoll fasste – "Machen Sie einmal einen PISA-Test unter Putzfrauen. Der erste Platz in Deutschland ist garantiert, ganz viele sind Lehrerinnen aus der Sowjetunion."

Kompetenzaktivierung und Qualifikationsanerkennung
Was in der Diskussion unterzugehen scheint: Wir brauchen Zuwanderer auf allen Qualifikationsebenen: Von der Schwesternhelferin in den Altenpflegeeinrichtungen bis zur Maschinenbauingenierin. Die Zuwanderer sollten eine persönliche Anerkennung auch dadurch erfahren, dass ihre Vorqualifikationen weitestgehend anerkannt werden und eine schnelle Eingliederung in die Erwerbstätigkeit möglich wird.

Das von mir in die bildungspolitische Debatte für erfahrene Mitarbeiter eingebrachte Konzept der Kompetenzaktivierung ließe sich auch bedingungslos auf Zuwanderer erweitern.

Kompetenzaktivierung für Zuwanderer
Unter Kompetenzaktivierung verstehe ich das Abrufen und Reaktivieren von vorhandenen Qualifikationen und Kompetenzen und das Modellieren dieser Qualifikationen auf die zukünftigen Aufgabenstellungen.

Dabei ist großzügige Anerkennungspraxis nur die eine Seite der Medaille, daran anschließen müsste sich ein Beratungskonzept, dass den Zuwanderern ein gemeinsames oder individuelles Lernern ermöglicht, um rasch die fehlenden Module zu erwerben.

Kompetenzaktivierung für erfahrene Mitarbeiter, aber auch für Zuwanderer, muss das Lernmodell der Zukunft für diese Zielgruppen werden.