Psychische Erkrankungen bei Arbeitnehmern – Problem der Führung?

Immer mehr Arbeitnehmer fühlen sich überfordert, gemobbt oder ausgenutzt. Psychische Erkrankungen nehmen zu, von psychosomatischen Krankheitsbildern bis hin zu schweren psychiatrischen Erkrankungen. Da stellt sich die Frage, ob die meisten Führungskräfte der Unternehmen durchweg nicht in der Lage sind, einen guten Job zu machen und sich nur noch ganz der "Lust am Ergebnis" hingeben.

Psychische Erkrankungen nehmen immer mehr zu
Nach einem Bericht der Bundesärztekammer aus dem Jahre 2009 nehmen psychische Erkrankung immer mehr zu. Häufig sind sie die Ursache für Arbeitsunfähigkeit. So hat sich die Zahl der Krankentage durch psychische Störungen in den vergangenen fünf Jahren mehr als verdoppelt. Immer mehr Arbeitnehmer fühlen sich überfordert, gemobbt oder ausgenutzt. Nicht wenige davon entwickeln psychosomatische Krankheitsbilder bis hin zu schweren psychiatrischen Erkrankungen.  

Tatsächlich erlebt nach einer Untersuchung der Europäischen Agentur für Gesundheit und Sicherheit bei der Arbeit über die Hälfte aller berufstätigen Menschen in der Europäischen Union negativen Stress, wie Zeit und Veränderungsdruck. Eine neuere Studie des Deutschen Gewerkschaftsbunds förderte zutage, dass 33 Prozent der Jobbesitzer mit eben diesem unzufrieden sind und ihren Arbeitsplatz als schlecht einstufen.

Psychische Erkrankungen durch Unzufriedenheit am Arbeitsplatz und die Angst um den Job
Besonders die Unzufriedenheit am Arbeitsplatz und die Angst um den Job erhöhen Stressfaktoren und damit das Risiko von Herz- und Kreislauferkrankungen. Unzufriedenheit, Angst und Stress blockieren Motivation und die Bereitschaft zur Übernahme von Eigenverantwortung (Selbstgestaltung).

Dass kranke und unzufriedene Mitarbeiter sehr teure Mitarbeiter sind, sollte jeder Führungskraft hinlänglich bekannt sein. Laut Berechnung der London School of Economics verursachen psychische Erkrankungen derzeit jährliche Kosten von 136 Milliarden Euro in der Europäischen Union. Welch unglaubliche Vernichtung von Ressourcen.

Da stellt sich die Frage, ob die meisten Führungskräfte der Unternehmen durchweg nicht in der Lage sind, einen guten Job zu machen und sich stattdessen ganz der "Lust am Ergebnis" hingeben. Sollen doch Führungskräfte eigentlich ein Arbeitsumfeld schaffen, das den Arbeitnehmern eine optimale Bewältigung der im und vom Unternehmen plazierten Aufgaben ermöglicht.

Darüber hinaus sind Führungskräfte gehalten, eine harmonische Beziehung zwischen den Unternehmenszielen und den persönlichen Interessen der Mitarbeiter/innen herzustellen.

Führung muss den Stress von den Mitarbeitern nehmen
Zweck von Führung ist es letztlich, das Verhalten der Mitarbeiter/innen so zu beeinflussen, dass sie die bestmögliche Arbeitsleistung abgeben, die gestellten Aufgaben optimal bewältigen sowie auftretende Probleme hervorragend lösen. Das Verhalten von Mitarbeitern lässt sich dabei wohl durch gutes Vorbild am besten beeinflussen, wenn also Führungskräfte ehrlich und glaubhaft auftreten und damit keine Existenzängste bei den Mitarbeitern schüren.

Doch Führungskräfte haben selbst Angst. Viele gelegentlich, manche ständig, aber stets im Glauben, keine Angst haben zu dürfen. Ängste könnten als Schwäche identifiziert werden, dem Image schaden und für die berufliche Entwicklung unangenehme Folgen haben. Also lässt man sie sich besser nicht anmerken. Doch verdrängte Angst hat negative Nebenwirkungen: Frust, Stress, Burnout.

Auch Führungskräfte leiden unter psychischen Erkrankungen durch Stress
Der Soziologe Winfried Panse hat in einer Langzeitstudie analysiert, dass jede uneingestandene Angst Führungskräfte lähmt und neben der Leistungsfähigkeit, auch   Führungsqualität und Kreativität enorm einschränkt. Besonders Versagensängste führen gerade in Krisenzeiten immer häufiger zu Depressionen. 

Nach einem Aufsatz des berühmten deutschen Zukunftsforschers Leo Nefiodow fühlen sich 60 Prozent der deutschen Führungskräfte der Führungsaufgabe nicht gewachsen. Führung bleibt somit eine große Herausforderung, denn mit Versagensängsten erfüllte Führungskräfte blockieren die Entwicklung ihrer Selbst- und Sozialkompetenzen.

Führungskräfte geben Ihre Ängste an die Mitarbeiter weiter
Wer Angst verspürt, gibt diese gerne weiter. Eine besonders destruktive Form der Führung ist zum Beispiel Führen mit Angst, teilweise noch immer ein bewährtes Führungsprinzip. Die Angst der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsplatzverlust führt zwar zu deren Unterwerfung, sie prägt jedoch Unternehmenskultur nachhaltig negativ und mindert den Erfolg des Unternehmens.

So können in vielen Betrieben auf eine duale Wachstumsbarriere entstehen, auf der einen Seite die Existenzängste der Arbeitnehmer, auf der anderen Seite die Versagensängste der Führungskräfte. Wie unter diesen Voraussetzungen die Führungsaufgaben besonders im Zeichen des demographischen Wandels bewältigt werden können, bleibt dem Betrachter ein kaum lösbares Rätsel.

Immerhin werden es bald immer jüngere Führungskräfte mit älteren Belegschaften zu tun haben und sich dabei zum Beispiel vielerorts mit einer Senioritätskultur auseinandersetzen müssen.

"Management by fear" kann nicht erfolgreich sein, auch wenn sich die Arbeitnehmer aus der Angst vor dem Verlust des Arbeitsplatzes scheinbar weiter fleißig und loyal zeigen.

Systemwechsel für die Vermeidung von psychischen Erkrankungen
Für die Zukunft ist ein Systemwechsel notwendig. Zukunftsforscher Nefiodow sieht als Säulen künftiger Arbeitsproduktivität neben einer immer weiter steigenden Fach- und Methodenkompetenz auch die Fähigkeit, mit Destruktivität umzugehen. Im Klartext: Gemeint ist die Fähigkeit zum Vergeben und Verzeihen. Das setzt gegenseitige Wertschätzung voraus.