Rechtsanspruch auf Weihnachtsgeld im Interesse der Arbeitnehmer ausgeweitet

Eine häufig diskutierte Rechtsfigur des Arbeitsrechts ist die betriebliche Übung. Danach entsteht beim Arbeitnehmer ein Rechtsanspruch, wenn ein Arbeitgeber bestimmte Leistungen, insbesondere Weihnachts- oder Urlaubsgeld, in der Regel drei Mal vorbehaltlos gewährt. In einem solchen Fall kann der Arbeitnehmer die Leistung einfordern, selbst wenn hierfür keine schriftliche Anspruchsgrundlage besteht.

Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts führt eine dreimalige vorbehaltlose Gewährung einer Leistung – etwa die Zahlung von Weihnachtsgeld – zu einer betrieblichen Übung, sodass Arbeitnehmer einen Anspruch auf diese Leistung erhalten.

In diesem durch eine betriebliche Übung entstandenen Anspruch sieht das Bundesarbeitsgericht eine echte vertragliche Verpflichtung des Arbeitgebers. Dieser Anspruch – etwa zur Zahlung von Weihnachtsgeld – ist im Vergleich zu einem normalen vertraglichen Anspruch nicht weniger rechtsbeständig. Somit kann ein Arbeitgeber einen durch eine betriebliche Übung entstandenen Anspruch nicht einfach beseitigen oder ändern.

Abbildung 1: Weihnachtsgeld und 13. Monatsgehalt

Weihnachtsgeld und 13. Monatsgehalt werden oft synonym verwendet, sind aber rechtlich unterschiedlich zu behandeln. Beim 13. Monatsgehalt handelt es sich regelmäßig um eine festgelegte Gehaltserhöhung, die bei Änderung oder Aufhebung des Arbeitsvertrags auf das Kalenderjahr verteilt wird. Somit handelt es sich um ein Entgelt für erbrachte Arbeitsleistungen. Grundsätzlich gelten die Regeln zum Weihnachtsgeld daher nicht.

Ferner sieht das Bundesarbeitsgericht in durch betriebliche Übung begründeten Vertragsbedingungen Allgemeine Geschäftsbedingungen, die einer AGB-Kontrolle standhalten müssen. Bereits am 18.03.2009 (Az. 10 AZR 281/08) hatte das Bundesarbeitsgericht daher eine Aufhebung der Ansprüche aus betrieblicher Übung durch eine stillschweigende Abänderung – gegenläufige betriebliche Übung – für unzulässig erklärt. Nunmehr hatte sich das Bundesarbeitsgericht in Zusammenhang mit der Zahlung von Weihnachtsgeld mit einem weiteren Instrument zur Beendigung einer betrieblichen Übung zu befassen.

Das Bundesarbeitsgericht zur Zahlung von Weihnachtsgeld
In dem vom Bundesarbeitsgericht am 5. August 2009 zu entscheidenden Fall (Az. 10 AZR 483/08) ging es um einen Arbeitnehmer, der die Zahlung des Weihnachtsgeldes für das Jahr 2006 verlangte. Da der Arbeitgeber bereits zehn Jahre lang allen Arbeitnehmern jeweils mit der Vergütung für November vorbehaltlos ein Weihnachtsgeld gezahlt hat, wurde hierdurch insofern eine betriebliche Übung begründet. Am 21. November 2006 vereinbarte der Arbeitgeber mit dem Betriebsrat, dass für das Jahr 2006 kein Weihnachtsgeld gezahlt werden sollte.

Abbildung 2: Wann muss Weihnachtsgeld gezahlt werden?

Das Weihnachtsgeld ist grundsätzlich eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers. Somit ist der Arbeitgeber nur dann zur Zahlung von Weihnachtsgeld verpflichtet, wenn

  • das Weihnachtsgeld einzelvertraglich vereinbart oder
  • tarifvertraglich verbindlich geregelt wurde oder
  • eine dahingehende Betriebsvereinbarung bzw. eine betriebliche Übung zur Zahlung von Weihnachtsgeld besteht.

 

Trotz dieser Betriebsvereinbarung war der klagende Arbeitnehmer der Auffassung, dass ihm das Weihnachtsgeld aus betrieblicher Übung auch für 2006 zusteht, da ein solcher Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld aus seiner Sicht nicht durch eine Betriebsvereinbarung beseitigt werden kann. Demgegenüber vertrat der Arbeitgeber die Auffassung, die Betriebsvereinbarung hat den Anspruch auf Zahlung des Weihnachtsgeldes beseitigt, denn es gelte eine Auslegungsregel, dass eine betriebliche Übung im Zweifel einen stillschweigenden Abänderungsvorbehalt zugunsten einer Betriebsvereinbarung enthält.

Entscheidung über die Zahlung von Weihnachtsgeld
Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichts steht dem Arbeitnehmer das Weihnachtsgeld auch für das Jahr 2006 aus betrieblicher Übung zu. Der Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld ist nach Auffassung des Gerichtes nicht durch die Betriebsvereinbarung vom 21. November 2008 beseitigt worden.

Abbildung 3: Zur Gleichbehandlung bei der Zahlung von Weihnachtsgeld

Selbst wenn es sich bei der Zahlung von Weihnachtsgeld um eine freiwillige Leistung des Arbeitgebers handeln sollte, dürfen Arbeitnehmer nicht ohne sachlichen Grund ungleich behandelt werden. Allerdings kann einzelvertraglich festgelegt werden, dass ein Arbeitnehmer kein Weihnachtsgeld erhält.

Für eine unterschiedliche Höhe des Weihnachtsgeldes können z. B. folgende sachliche Gründe vorliegen:

  • Dauer der Betriebszugehörigkeit
  • ungekündigtes Arbeitsverhältnis
  • Höhe der Fehlzeiten
  • Familienstand
  • Zahl der Kinder

Unzulässig ist dagegen eine unterschiedliche Behandlung von Angestellten und Arbeitern.

 

Bei dem Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld handele es sich um einen arbeitsvertraglichen Vergütungsanspruch, auf den das Günstigkeitsprinzip Anwendung findet. Gegenüber der Betriebsvereinbarung stellt der aus betrieblicher Übung entstandene Weihnachtsgeldanspruch die günstigere Regelung dar und setzt sich hierdurch gegenüber der Betriebsvereinbarung durch.

Nach Ansicht des Bundesarbeitsgerichtes ist der Anspruch auf Zahlung von Weihnachtsgeld aus betrieblicher Übung – wie auch sonstige arbeitsvertragliche Ansprüche – auch nicht per se durch eine Betriebsvereinbarung abänderbar, d.h. nicht jede betriebliche Übung steht automatisch unter dem Vorbehalt der Ablösung durch eine Betriebsvereinbarung.

Ein entsprechender Änderungsvorbehalt durch den Arbeitgeber hätte vielmehr ausdrücklich und transparent zur Bedingung der Zahlung gemacht werden müssen. Ohne einen solchen Vorbehalt brauchen Arbeitnehmer nicht von einem stillschweigenden Änderungsvorbehalt durch Betriebsvereinbarung ausgehen.

Gegen einen solchen stillschweigenden Vorbehalt spricht nach Auffassung des Gerichtes auch, dass einer Betriebsvereinbarung über Sonderzahlungen, insbesondere über Weihnachtsgeld, regelmäßig ohnehin der Tarifvorrang des § 77 Abs. 3 S. 1 BetrVG entgegensteht.

Konsequenzen aus der Entscheidung zur Zahlung von Weihnachtsgeld
Das Bundesarbeitsgericht macht mit dieser Entscheidung einmal mehr deutlich, dass die Abänderung eines durch eine betriebliche Übung entstandenen Anspruchs – wie zum Beispiel der Zahlung von Weihnachtsgeld – nur sehr schwer zu erreichen ist.

Im Nachhinein kann eine betriebliche Übung nur durch eine ablösende Betriebsvereinbarung ausgeschlossen werden, sofern der Vergütungsanspruch von vornherein ausdrücklich unter dem Vorbehalt einer ablösenden Betriebsvereinbarung geleistet wurde und auch der Tarifvorrang des § 77 Abs. 3 BetrVG einer solchen Betriebsvereinbarung nicht entgegensteht. Dieser Vorbehalt muss ferner – genauso wie der Widerrufs- oder Freiwilligkeitsvorbehalt – dem Transparenzgebot des § 307 BGB genügen.

Wollen Arbeitgeber diesen Problemen insbesondere im Zusammenhang mit der Zahlung von Weihnachtsgeld aus dem Weg gehen, müssen Sie die betriebliche Übung von Beginn an unter einen wirksamen Freiwilligkeitsvorbehalt stellen. Demgegenüber empfiehlt es sich nicht, einen "Betriebsvereinbarungsvorbehalt" aufzunehmen.

Ist bereits eine betriebliche Übung zur Zahlung von Weihnachtsgeld ohne einen solchen Vorbehalt begründet worden, kann diese im Nachhinein nur über eine Änderungskündigung oder eine abändernde einzelvertragliche Vereinbarung mit den Arbeitnehmern beseitigt werden.