Muss ein Interview vor Veröffentlichung autorisiert werden?

Wer mit Journalisten redet, muss auch damit rechnen, zitiert zu werden. In den letzten Jahren hat sich eine Unsitte in der Pressearbeit eingebürgert, die Medien und Pressestellen das Leben unnötig schwer macht: Interviews "autorisieren" lassen. Dafür gibt es weder eine rechtliche Grundlage noch einen Sinn. Lesen Sie, warum ich das unprofessionell finde.

Journalisten hassen es, Pressestellen ist es hoffentlich wenigstens peinlich: "Bitte schicken Sie mir das Interview vorab, damit wir es autorisieren können." Eingebürgert hat sich diese Praxis trotz fehlender Rechtsgrundlage und obwohl Verantwortliche für Unternehmenskommunikation damit gegen ethische Grundsätze der PR verstoßen.

Im Anschluss an ein Interview haben Sie eigentlich keine Möglichkeit mehr, das Gesagte zurückzunehmen. Wie Sie in der Pressearbeit und Unternehmenskommunikation professionell damit umgehen, dazu möchte ich ein paar Hinweise geben.

Was sagt das Presserecht zur Autorisierung von Zitaten?
Nichts. Es gibt keine rechtliche Grundlage für die Autorisierung von Interviews. Abgesehen davon, dass es in Deutschland aufgrund der Medienfreiheit (Art. 5 GG) keine Pressegesetze gibt, ist ein Anspruch auf Vorlage des Interviews vor Abdruck auch anderweitig rechtlich nicht begründbar. Im Gegenteil, wer einem Journalisten Auskunft gibt, muss damit rechnen, zitiert zu werden. Vollständig oder gekürzt, das spielt dabei keine Rolle.

Der Journalist muss seine Interviewabsicht lediglich zu erkennen geben. Wer Medienfragen beantwortet, willigt damit auch in die Veröffentlichung ein. Das gilt auch außerhalb der Unternehmenskommunikation, wenn beispielsweise ein Kamerateam eine Straßenumfrage macht. Wer sich auf die Fragen einlässt, muss damit rechnen, im Fernsehen gezeigt zu werden. "Konkludente Zustimmung" heißt das unter Rechtsexperten.

Warum wird die Autorisierung trotzdem gemacht?
Dass Pressestellen Interviews autorisieren wollen und manche Redaktionen das mit sich machen lassen, hat einen Grund. Er liegt in der Absicherungsmentalität auf beiden Seiten. Die Pressestelle möchte sich intern gegenüber der Unternehmensführung absichern. Redakteure lassen dieses Verfahren zu, um sich vor Ärger, zum Beispiel durch Gegendarstellungen, zu schützen. Auch die Angst, eine wichtige Quelle zu verlieren, spielt dabei eine Rolle.

Lassen Sie sich auf beiden Seiten gesagt sein: Diese Praxis ist unprofessionell! Sie verletzt journalistische Standards und ethische Grundsätze der PR. Zu den sieben Selbstverpflichtungen des Berufsstandes gehört die "Achtung von Unabhängigkeit und Freiheit der Kommunikationspartner". Wenn die Frage, ob ein Interview gedruckt werden darf oder nicht, statt des Chefs vom Dienst in der Redaktion de facto von einer Pressestelle beantwortet wird, ist genau diese Unabhängigkeit nicht mehr gegeben.

Wie kann ich professionell damit umgehen?
Natürlich bleiben Unsicherheiten. Was, wenn tatsächlich Fehler unterlaufen und Fakten falsch wiedergegeben werden? Wie schütze ich mich in der Pressearbeit gegen unlautere Methoden von Medienleuten?

Mein Plädoyer mit der Erfahrung als Journalist und heutiger Trainer für Unternehmenskommunikation ist eindeutig: Verzichten Sie auf die Autorisierung von Interviews! Suchen Sie eine vertrauensvolle Zusammenarbeit auch mit kritischen Journalisten. Ihrem Interesse, das Unternehmen gut darzustellen, steht die Aufgabe unabhängiger Berichterstattung gegenüber. Darin liegt ein unauflöslicher Interessenkonflikt, der nicht dadurch gemildert wird, dass Pressestelle und Redaktion einen Schmusekurs fahren.

Wie so oft, gibt es auch hierbei einen guten Mittelweg. Bieten Sie dem Journalisten an, Daten und Fakten aus dem Interview abzugleichen. Verzichten Sie ausdrücklich auf die Übermittlung des vollständigen Textes! Geben Sie zu erkennen, dass Sie lediglich Fehler vermeiden möchten. Eine verrutschte Kommastelle beim Unternehmensergebnis ist für beide Seiten peinlich. Für eine solche Korrektur wäre ich als Autor dankbar.

Vor allem im Lokaljournalismus dürfte dieser Weg sinnvoll sein. Machen Sie sich bewusst, dass die Redakteure viele Beiträge zu unterschiedlichen Themen schreiben müssen. Sie dürfen Hilfestellung geben, aber bitte nur dann wenn sie gefragt ist. Die Autorisierung von Interviews im Sinne einer Art Genehmigung durch die Pressestelle ist tabu.

Wie sehen Sie dieses Thema? Sollten Journalisten ihre Interviewtexte doch generell zur Autorisierung vorlegen? Diskutieren Sie mit mir darüber im Experto.de Forum. Teilen Sie diesen Beitrag bitte mit Ihren Kontakten bei Facebook und Twitter. Vielen Dank!