Kann PR den Hoeneß-Effekt vermeiden?

Der Präsident des FC Bayern und Wurstfabrikant Uli Hoeneß soll Steuern in Millionenhöhe hinterzogen haben. Das hat mich veranlasst, die öffentliche Meinungsbildung und die Auswege aus der Krise näher zu betrachten.

Den Stein ins Rollen brachte das Magazin Focus mit einem Bericht über die Selbstanzeige wegen Steuerhinterziehung. Die Staatsanwaltschaft nahm ihrerseits Untersuchungen gegen Hoeneß auf. Nach einem Haftbefehl war er zunächst nur auf Kaution weiterhin auf freiem Fuß. Im Folgenden geht es nicht um die Bewertung des Falles, sondern um eine Einordnung aus Sicht der Pressearbeit.

Als Hoeneß-Effekt bezeichne ich den Bumerang, den der Bayern-Präsident gerade erlebt. Dieselben Medien, die ihn vor Kurzem noch hofierten, überschlagen sich mit Enthüllungen und Kommentaren und Urteilen.

Krisen entstehen nicht plötzlich aus dem Nichts. Sie bauen sich langsam auf. Mit der ersten Fahrt in die Schweiz, um Steuern zu "sparen", stellte Uli Hoeneß bereits die Weichen. Mir geht es hier nicht um eine moralische oder gar juristische Bewertung des Falles. Fakt ist, dass er ab diesem Zeitpunkt zu Steuerthemen in der Öffentlichkeit hätte schweigen müssen.

Niemand hat ihn mit vorgehaltener Pistole in Maibrit Illners oder Günther Jauchs Sendungen gezwungen. Die Aufregung im Fall Hoeneß ist deshalb groß, weil die vermutete Integrität hinter seinen Äußerung fehlte. Seine Prominenz und die politischen Appelle, die er ausgerechnet zum Thema Steuern immer wieder abgegeben hat, führen zu der erlebten öffentlichen Aufregung. Es wäre also besser gewesen, er hätte sich in den letzten Jahren nur zu Fußball und Würstchen geäußert.

Welche Schlüsse können PR-Verantwortliche, Firmeninhaber und Personen des öffentlichen Lebens aus dem Fall Hoeneß ziehen?

Die Hoeneß-Strategie: Schweigen

Ein Weg, mit solchen Schlagzeilen umzugehen, ist Aussitzen. Die mediale Aufregung legt sich nach ein paar Tagen oft von allein. Das ist eine Tatsache. Jedes Thema wird früher oder später von den Titelseiten verdrängt. Über die tatsächliche Relevanz der Aufreger-Agenda sagt das nichts.

Uli Hoeneß muss allerdings damit rechnen, dass das Thema wieder hochkocht, spätestens zu Beginn des Gerichtsverfahrens. Der anwaltliche Rat zur Zurückhaltung steht dabei im Widerspruch zu den Mechanismen der öffentlichen Meinungsbildung. Mitunter verbeißen sich Medien in einem solchen Thema, bis sie beispielsweise einen Rücktritt erzwungen haben. Das ist kein Komplott, sondern eine Funktionsweise von Massenmedien, die oft irrational, mitunter sogar ungerecht ist.

Gute Strategie: Eingeständnis und Konsequenzen ziehen

Früher oder später kommt es doch zum Rücktritt. So ist es in der Politik. So verhält es sich auch für das Präsidium des FC Bayern. Dafür muss man kein Prophet sein. Das Festhalten am Status quo ist ein Fehler, denn er führt zu einer medialen Vernichtung, wie wir sie unter anderem bei Politikern wie Christian Wulff oder Karl-Theodor zu Guttenberg erlebt haben.

Daran wird auch deutlich, in welcher Bandbreite die Themen des Scheiterns liegen: Privatreisen eines Politikers, die abgeschriebene Doktorarbeit und Steuerhinterziehung – sie führen alle zu dem gleichen Ergebnis. 

Selten versuchen Persönlichkeiten die Flucht nach vorn und erkennen ihre Situation so klar, wie beispielsweise Margot Käsmann, die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD). Nach ihrer Alkoholfahrt zögerte sie nicht, räumte ihren Fehler öffentlich ein und trat von ihrem Amt zurück. Das hat ihr viele Sympathien eingebracht. Weniger als drei Jahre später ist sie als Buchautorin zurück in den Medien und wird in ihrer Rolle als moralische Instanz wieder akzeptiert. Menschen und Medien verzeihen Fehler leichter als die Lüge.

Uli Hoeneß hätte ich als PR-Berater dazu geraten, die Untersuchungshaft anzutreten. Dass sie im Bereich des Möglichen liegt, hat er vorher gewusst. Die Verfolgungsjagd der Medien wäre damit beendet und ein Moment des Innehaltens und der Selbstreflexion hätten sicher auch nicht geschadet.

Dümmste Strategie: Dementieren

Die denkbar ungünstigste Variante, mit Vertrauenskrisen umzugehen, ist das Dementi. Selbst für den Fall, dass die Vorwürfe teilweise oder vollständig unberechtigt sind, verstärkt ein Dementi lediglich den Eindruck, man habe etwas zu verbergen. Ist das Dementi eine Lüge, wird die kleinste undichte Stelle zur Bedrohung.

Nicht nur Medien recherchieren heutzutage. Soziale Medien spielen bei der Aufklärung solcher Fälle eine immer größere Rolle. Damit meine ich nicht die berüchtigten Shitstorms – treue Hoeneß-Anhänger antworten im beschriebenen Fall mit Solidaritätsbekundungen. (Beide Seiten verstehen den Unterschied zwischen der Medienfigur Hoeneß und dem tatsächlichen Menschen nicht.) Im Fall Guttenberg waren es beispielsweise Studenten und Akademiker, die im Wiki Guttenplag über tausend Plagiate in seiner Doktorarbeit wissenschaftlich nachwiesen.

Wer unberechtigt in die Schlagzeilen gerät, hat wenige und für die Öffentlichkeit wenig wirksame juristische Möglichkeiten. Sie reichen von der Gegendarstellung, deren Wahrheitsgehalt die Presse nicht prüfen muss, bis zur Klage auf Unterlassung. Das ist allerdings ein langer, juristisch schwieriger Weg.

Beste Strategie: Vermeiden durch Integrität

Uli Hoeneß hat sich selbst angezeigt. Deshalb kann von seiner Schuld ausgegangen werden. Ab irgendeinem Punkt in den letzten 10 bis 15 Jahren war ihm bewusst, dass er zu den Vermögenden gehört, die die Steuerflucht ins Ausland angetreten haben. In Fernseh-Talkshows warnte er die Politik regelmäßig vor solchen Effekten durch Steuererhöhungen, betonte aber stets seine eigene Integrität. Er setzte moralische Maßstäbe, die für ihn selbst nicht galten. Das ist es, was ihm letztlich auf die Füße fällt.

Kein Mensch ist frei von Fehlern und Irrtümern. Jeder versucht auch Steuern zu sparen. Das darf allerdings nie zu einem eklatanten Widerspruch wie bei Uli Hoeneß führen. Die latente Krise in der Kommunikation lag hier in der Schere zwischen seinen öffentlichen Auftritten und dem tatsächlichen Verhalten, das beinahe zwangsläufig auffliegen musste.

Das hohe Maß an Integrität, das für Politiker, Vorstände, bekannte Künstler und andere Medienstars gilt, ist eine Herausforderung und erfordert von diesen große Anstrengungen. Die kleinste Versuchung, der man erliegt, kann sich später gegen einen wenden. Das ist nun mal der Preis für ein sorgenfreies, finanziell überaus abgesichertes Leben und schon deshalb nicht zu viel verlangt.

Übrigens: Die Unschuldsvermutung ist eine rein juristische Kategorie. "Im Zweifel für den Angeklagten" – diese Klausel gilt nicht für die Medien. Auch wenn Vorverurteilungen aus ethischen Gründen vermieden werden sollten, sind sie in der Presse dennoch an der Tagesordnung.