Fehlverhalten eines Auszubildenden: Kündigen oder erst abmahnen?

Wie schwerwiegend ist das Fehlverhalten eines Auszubildenden einzustufen? Ist jetzt eine Abmahnung fällig? Oder gar eine Kündigung? Leider sind die gesetzlichen Vorschriften hierzu nicht so konkret, dass man hierauf stets eine gültige Antwort geben könnte. Anhaltspunkte zum rechtssicheren Handeln gibt es allerdings genug.

"Einmal morgens zu spät gekommen." Mir haben schon Auszubildende berichtet, dass ihr Ausbildungsbetrieb deswegen gekündigt hat. Aus meiner Sicht ist das ein Zeichen von Inkompetenz, fehlendem Fingerspitzengefühl und Unmenschlichkeit. In einem solchen Fall kann ich dem Azubi nur raten, gegen die Kündigung vorzugehen.

Die Aussichten, mit einer Kündigungsschutzklage Erfolg zu haben, sind dann sehr gut. Selbst mit einer Abmahnung hätte ich in diesem Fall Probleme gehabt, da die Arbeitszeitverletzung minimal und der Azubi bereit war, die Arbeitszeit nachzuholen.

Es gibt aber auch das andere Extrem: Ein Azubi wird über Monate gemobbt und schließlich von zwei anderen Auszubildenden in einer abgelegenen Besenkammer verprügelt. Auch hier hätte ich mit einer Abmahnung meine Probleme, aber aus ganz anderen Gründen. In einem solchen Fall ist nämlich die sofortige fristlose Kündigung die einzig richtige Reaktion. Schließlich ist das Vergehen gravierend und Sie können Gewaltanwendung in Ihrem Unternehmen natürlich nicht dulden.

Darüber hinaus ist es natürlich Ihre Pflicht, den Auszubildenden, der den Schikanen und der Gewalt ausgesetzt war, in Zukunft zu schützen. Kann den Tätern ihr Vergehen nachgewiesen werden, dann wird eine fristlose Kündigung auch vor einem Arbeitsgericht standhalten.

Grenzfälle sind schwieriger zu beurteilen

Schwierig wird es, wenn das Vergehen weder minimal war noch ein extremes Ausmaß hatte wie in den beiden oben beschriebenen Fällen. Weigert sich beispielsweise ein Auszubildender über Wochen und Monate, seinen schriftlichen Ausbildungsnachweis zu führen, dann müssen Sie einerseits konsequent und andererseits mit Fingerspitzengefühl reagieren.

Mögliche Vorgehensweise: Wer seinen schriftlichen Ausbildungsnachweis nicht regelmäßig führt, der sollte zunächst einmal ermahnt werden. Führt das nicht zum Erfolg, dann kann ein ernstes Gespräch folgen, in dem auch eine Abmahnung angedroht wird. Zeigt sich der Auszubildende als resistent, dann ist es möglich, tatsächlich eine Abmahnung auszusprechen und darin auch eine Kündigung anzudrohen.

Stellt sich der Erfolg nach wie vor nicht ein, würde ich eine zweite Abmahnung empfehlen, bevor Sie als Ausbilder zum letzten Mittel, zu einer Kündigung, greifen. Die ist also bei kleineren Vergehen, die aber ständig wiederholt werden, ohne dass auch nur ansatzweise Besserung in Sicht ist, am Ende durchaus möglich.

Darüber hinaus sollten Sie beachten, dass die Arbeitsgerichte neben der Schwere des Vergehens und Ihrer konsequenten Linie beim Er- und Abmahnen folgende Aspekte bei der Beurteilung in die Waagschale werfen:

  • Ist der Azubi schon einmal negativ aufgefallen?
  • Wie weit ist die Ausbildung fortgeschritten (je weiter, desto schwieriger eine Kündigung)?
  • Zeigt der Auszubildende Reue bzw. ist er einsichtig?
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